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Ich sehe rot!

Keine Angst: ich bleibe meinem Grundsatz treu, hier keine politischen Themen aufzugreifen. Auch möchte ich jetzt keine Wutausbrüche verbalisieren. Dieser Beitrag dreht sich nur um meinen kleinen Test, ein Video-Objektiv als Foto-Objektiv zu verwenden.

Hä? Objektiv ist doch Objektiv, oder?

Als ich vor ein paar Wochen ein verlockendes Angebot sah, konnte ich einfach nicht widerstehen: Ich kaufte mir ein Objektiv, das ich schon länger auf meiner Wunschliste hatte: eine sogenannte »Festbrennweite« von 35 mm (an meiner SONY alpha 6700 also 52,5 mm Kleinbildäquivalent) und einer Lichtstärke von 1 : 1,05.

Video-Objektiv 7artisans 35mm T 1.05 APS-C MF Cine Lens for E-Mount
Ein schweres, lichtstarkes Videoobjektiv der Marke 7 Artisans aus der Serie „vision“

Der Hersteller (7artisans) bezeichnet das gute Teil »35mm T1.05 APS-C MF Cine Lens for E«. Das hört sich sehr kryptisch an, folgt aber einem ganz logischen Aufbau:

  1. »35mm« – das Objektiv besitzt eine feste Brennweite von 35 mm. Das entspricht einem Kleinbildäquivalent von 52,5 mm (an meiner Kamera).
  2. »T1.05« – Oha, jetzt wird’s knifflig! Das ist nämlich die Lichtstärke.
    „Aber Christian, die Lichtstärke wird doch immer in »f« angegeben – beispielsweise »f 2.8«!“
    Ja, das stimmt. Jedenfalls für FOTO-Objektive. Das »T« in der Bezeichnung steht für »Transmission« und deutet dadurch an, dass es sich bei diesem über 750 Gramm schweren (!) Brocken um ein FILM- bzw. VIDEO-Objektiv handelt. Für Interessierte: hier wird der Unterschied zwischen »f-Stops« und »T-Stops« fundiert erklärt: LINK.
  3. »APS-C« – Na klar: das Objektiv wurde für eine Kamera mit APS-C-Sensor konstruiert.
  4. »MF« – das steht für »Manual Focus« – sprich: das Objektiv stellt nicht automatisch scharf (das würde dann »Auto-Fokus« heißen), sondern muss von Hand korrekt scharf gestellt werden. Wäre in dieses Objektiv auch noch ein Motor mit Getriebe für das automatische Scharfstellen eingebaut, wäre das NOCH schwerer.
  5. »Cine Lens« – ja, genau das wollte ich: ein Objektiv zum Filmen.
  6. »for E« – das ist die Ausführung zum Verbinden einer Kamera mit dem sogenannten E-Mount (also dem Bajonett-Verschluss von SONY). Das Objektiv gibt es übrigens auch mit vier anderen Anschlüssen: Fuji X, Canon EOS-R, L-Mount und Panasonic/Olympus M43.

OK, eine »Cine Lens« – na und?

Die Anforderungen an ein Objektiv sind in den Bereichen Fotografie und Filmen nicht komplett anders – in einigen Bereichen aber entscheidend.

Blendenstufen

So möchte man zum Beispiel beim Filmen die Blende verändern, ohne dabei Störgeräusche mit aufzunehmen. Dieser – mehr oder weniger laute – »Klick« beim Wechsel von z. B. f 2.8 auf f 4.0 stört beim Fotografieren gar nicht. Ganz im Gegenteil: oft hilft so ein (taktisches oder akustisches) Feedback sogar beim Umstellen.

Beim Filmen möchte man überhaupt keine Rasterung bei der Einstellung der Blende – das Einstellen der Blende ist oft sogar stufenlos – also beispielsweise auch zwischen 2.8 und 3.0 – nötig!

Schön, dass ich mich bei diesem neuen Objektiv nicht mehr auf eine bestimmte Blendenstufe festlegen muss.

Und genau diese Möglichkeit bietet das hier besprochene Objektiv: stufenlose Einstellung der Blendenöffnung von Blende 16 (kleine Öffnung) bis Blende 1.05 (riesige Öffnung!).

Und was ist nun mit dem Transmissionswert T 1.05?

Ein ideales Objektiv schluckt so wenig Licht wie möglich. Ein leeres Rohr (also ohne Glas) hätte rechnerisch eine Lichtstärke von 1 zu 1. Lichtstrahlen VOR dem Rohr würden sich ungehindert HINTER dem Rohr fortsetzen. Objektive bestehen jedoch (aus gutem Grund) aus geschliffenem Glas. Und das kann natürlich nie 100 % der Lichtmenge durchlassen. Ein Wert von 1 : 1.05 bedeutet aber, dass dem Kamerasensor hinter dem Glas des Objektivs eine gewaltige Menge Licht zur Verfügung gestellt wird.

Weitere Unterschiede zu einem reinen Foto-Objektiv bemerkte ich deutlich bei meinem Test:

Test, 1, 2, 3, …

OK. Ich hatte also das neue Objektiv. Dann kam beim Fotoclub eine Art Hausaufgabe auf: „Fotografiert etwas zum Thema ROT“. Daher schraubte ich nach Feierabend den „Glas- und Metallbrocken“ vor meine Kamera und zog los …

Ich erinnerte mich an einen Baum, der – ganz in der Nähe meines Zuhauses – rote Früchte trägt und vor einem Haus mit rot geputzter Fassade steht. Ich fuhr mit dem Rad dorthin. Beim Fotografieren merkte ich schnell zweierlei:

  1. Das Objektiv ist sehr schwer. Aber es liegt einwandfrei in der Hand.
  2. Das Scharfstellen geht extrem gut, da ich auch für eine kleine Schärfenverlagerung eine große Drehung machen muss.

Der Fokus und die Blende werden an den im Bild oben gut erkennbaren „Zahnrädern“ eingestellt. Die sind in dieser Form ausgeprägt, weil sie in der Regel nicht direkt von Hand, sondern über eine spezielle Mechanik bewegt werden – und dann ist es sehr sinnvoll, direkt Zahnräder statt Gummiflächen am Objektiv zu haben.

Auf diese speziellen Mechaniken gehe ich vielleicht in einem späteren Beitrag näher ein. Hier und jetzt wird erst einmal fotografiert!

Erstes Foto

Hier also das erste Foto mit dieser Cinema-Linse nach der Entwicklung in Adobe Lightroom Classic:

Rote Apfelbeeren in einer Nahaufnahme vor einem Haus mit einer rot geputzten Fassade
Rote Apfelbeeren in einer Nahaufnahme vor einem Haus mit einer rot geputzten Fassade

Beim Entwickeln der digitalen Rohdaten erkannte ich schnell das große Potenzial einer extrem offenen Blende: Die Schärfentiefe ist brutal gering. Gut eingesetzt, ist das ein großer Vorteil. Das korrekte Fokussieren ist jedoch eine echte Herausforderung.

Auf dem Rückweg kam ich an einem Spielplatz vorbei. Auch hier fielen mir einige Motive auf, die mit dem Thema »ROT« zu tun hatten. Natürlich auch das Blogbeitrags-Titelbild.

Wippe

Hier wollte ich mit dem Schärfeverlauf spielen. Das Einstellen gelang dabei recht schnell, da ich die Kamera auf die Wippe setzen konnte. Das Scharfstellen war dann schnell erledigt. Ich legte den Fokuspunkt auf den gegenüberliegenden Handgriff. Hier das Ergebnis:

Nahaufnahme einer roten Wippe auf einem Kinderspielplatz mit einem Schärfeverlauf von vorne nach hinten
Nahaufnahme einer roten Wippe auf einem Kinderspielplatz mit einem Schärfeverlauf von vorne nach hinten

Fahrrad-Rückleuchte

Beim Abstellen meines Fahrrads schoss ich noch einen Schnappschuss des leuchtenden Rücklichts aus der freien Hand. Auch das gelang recht einfach. Hier das Ergebnis:

Nahaufnahme eines leuchtenden, roten Fahrradrücklichtes
Nahaufnahme eines leuchtenden, roten Fahrradrücklichtes

Rote Paprika

Ja, auch einen Klassiker im Bereich »ROT« – die Paprika – legte ich auf unseren Küchentisch und lichtete sie ab. Nach der Entwicklung musste ich noch in Photoshop einen „falschen“ Farbreflex korrigieren. Den hatte das Tageslicht vom Fenster verursacht. Das hätte den Betrachtenden zu sehr irritiert. Hier das Ergebnis:

Nahaufnahme einer roten Paprika auf einer Holztischplatte
Nahaufnahme einer roten Paprika auf einer Holztischplatte

Im Garten fotografierte ich auch noch einige Motive, die zwar nichts mit »ROT« zu tun hatten, mir aber trotzdem lohnenswert erschienen.

Futterhäuschen im Gartenbaum

Aus meiner langjährigen Fotografie-Erfahrung weiß ich, dass harte Kontraste durch dünne Äste vor hellem Himmel jedes Objektiv fordern. Ziemlich enttäuschend fällt mein Urteil dazu aus: die chromatischen Aberrationen (hier die Erklärung, was das ist: LINK) in diesem Motiv waren massiv!

Und leider gibt es – bis jetzt! – noch kein Profil in Adobe Lightroom Classic für dieses Objektiv, mit dem sowohl die optischen Verzerrungen als auch diese „CA“-Objektivfehler mit einem Klick zu entfernen sind.

Da ich jedoch auch mit Lightroom genug Erfahrung besitze, konnte ich manuell diese störenden Farbsäume im grünen und roten Farbspektrum entfernen. Hier das Ergebnis:

Helles Vogelfutterhaus aus Holz im Baum mit braunen Blättern
Helles Vogelfutterhaus aus Holz im Baum mit braunen Blättern

Nahaufnahme einer verwelkten Pflanze

Zum Schluss möchte ich noch eine Aufnahme zeigen, die ich ebenfalls in unserem Garten gemacht habe. Ich muss gestehen, dass ich nicht genau weiß, ob es sich um „Johanniskraut“ handelt – als Stadtkind bin ich dazu völlig überfragt. Ihr könnt mir in den Kommentaren schreiben, wenn ihr es besser wisst:

Nachaufnahme einer verwelkten Johanniskrautpflanze
Nahaufnahme einer verwelkten Johanniskrautpflanze

Hier noch der übliche Hinweis, wie man keinen meiner wenigen, unregelmäßig erscheinenden Beiträge mehr verpasst: einfach seine E-Mail-Adresse eingeben und auf die Fläche »Subscribe« / »Abonnieren« klicken – fertig!

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