Überragend

Mittwoch, 6. März 2024, 11:00 Uhr. Im Instant-Messaging-Kanal unseres Fotoclubs erscheint eine weitergeleitete Anfrage. Gesucht wird eine Person, die am Freitagabend Fotos aufnehmen kann. Anlass ist das Handballspiel zwischen zwei rivalisierenden Sportvereinen unserer Region. Stattfinden wird dieses Derby in der örtlichen Ems-Halle. Die Anfrage kommt vom Betreiber des Online-Magazins »allesdetten.de«.
Da mein Terminkalender für diesen Zeitraum keinen Eintrag anzeigt, melde ich meine Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen.

Vorbesprechung

Der Kontakt zum Herausgeber des Online-Magazins war schnell hergestellt und das Abstimmungsgespräch fand noch am selben Abend um 20:30 Uhr statt. Ich musste zugeben, so gut wie nichts vom Vereinssport im Allgemeinen und absolut nichts vom Handball zu verstehen. Verständlich, dass die unterdrückte Skepsis und das vorhandene Bedenken am anderen Ende der Telefonleitung fast körperlich zu spüren waren.
Ich konnte immerhin einbringen, dass ich schließlich schon in sehr vielen unterschiedlichen Situationen fotografiert hätte – unter anderem bei Hip-Hop- und Golf-Meisterschaften und diversen anderen Veranstaltungen.

ZDF – Zahlen, Daten, Fakten

Die Eckpunkte der anstehenden Aufgaben stellten sich dann so dar:

  • Gewünschte Motive: neben „Stimmungsfotos“ von der erwarteten Publikumsmenge (keine Einzel-/Porträt-Aufnahmen!) sollten dynamische Angriffs- und Wurfszenen von der Heimmannschaft gezeigt werden. Also: Positionierung am gegnerischen Tor
  • Treffen mit einem Mitarbeiter des Online-Magazins vor Ort an der Ems-Halle:
    Freitag, 8. März 2024, 19:00 Uhr
  • Beginn des Handballspiels: 20:00 Uhr
  • Dauer des Spiels: 60 Minuten (2 × 30 Minuten) plus 15 Minuten Halbzeitpause. Später sollte ich noch feststellen, dass sich die Veranstaltung durch diverse Unterbrechungen noch verlängerte, während der die Spielzeit nicht weiterlief.
  • Übertragung der Bilder (JPG, Auflösung schmale Seite: 2048 Pixel): noch am selben Abend

Das Equipment

Mit welcher Ausrüstung könnte ich diese Aufgaben am besten bewerkstelligen? Als Kamera kam nur meine Nikon D610 infrage. Mein Objektiv mit dem schnellsten Autofokus und aktiver Stabilisierung ist das »TAMRON SP 90 mm F/2.8 Di MACRO 1:1 VC USD«. Komischer Name, aber tolles Objektiv! Nur: mit 90 mm Brennweite käme ich nicht wirklich nahe an Gesichter, Details, etc.

Also plante ich, auch meine „Tele-Kanone“ (SIGMA 150–600 mm 1 : 5–6.3 DG) mitzunehmen. Und um einen richtig weiten Blickwinkel aufnehmen zu können, sollte auch mein »NIKON AF NIKKOR 24 mm 1:2.8 D« dabei sein. Vom Einbeinstativ wurde mir zwar abgeraten, aber zusammengeschoben nimmt das ja auch nicht so viel Platz weg – also: rein in den Rucksack!

Das Event

Dann war es Freitag, kurz vor 19 Uhr. Vor der Ems-Hall traf ich mich mit dem Mitarbeiter des Magazins. Er besorgte uns die Presse-Eintrittskarten und gemeinsam gingen wir in den Presse-Bereich der Halle.

Von dort aus würde er nun während des ganzen Abends für die Live-Berichterstattung über den Online-Ticker des Magazins sorgen. Vorher führte er mich noch in die Halle, die für mich in den nächsten ungefähr zweieinhalb Stunden mein Aufenthaltsort sein sollte.

Positionierung

Ich begab mich hinter die Spielfeldlinie seitlich des Tores der auswärtigen Mannschaft. Schließlich sollte ich ja die Lokalmatadore beim Angriff von vorne aufnehmen. Ich bereitete meine Ausrüstung vor und wurde mir direkt über drei potenzielle Schwierigkeiten bewusst:

  1. Die Halle ist nicht besonders hell beleuchtet! Daher würde ich mit meinem Teleobjektiv (150–600 mm) Schwierigkeiten bekommen. Das hat nur einen Blendenbereich von f5 bis f6.3. Und der Autofokus arbeitet bei schwachem Licht auch nicht besonders schnell.
  2. Die Angreifer würden zu nah sein, um mit einer Anfangsbrennweite von 150 mm arbeiten zu können.
  3. Mit meinem 24 mm-Objektiv konnte ich während des Spiels überhaupt nichts anfangen.

Konsequenzen

Also musste ich mich voll und ganz auf das TAMRON-Ojektiv mit 90 mm Brennweite verlassen. Oje: mit einer Festbrennweite beim Sport! Nun denn, schnell nahm ich noch die passenden Menüeinstellungen vor:

  • Maximale Geschwindigkeit bei der Serienbildaufnahme
  • ISO-Automatik (zunächst mit Belichtungskorrektur von − 0.3 EV, später ohne Korrektur)
  • Blende (nach diversen Test-Fotos während der Aufwärmphase ermittelt) entweder 7.1 oder 8
  • Zeit … Hm. Jetzt wurde es ungemütlich: tatsächlich schraubte ich die Belichtungszeit immer höher. Bis ich bei der Einstellung »1/1250 Sekunde« landete …
    Das bedeutet, dass ich theoretisch pro Sekunde 1250 Fotos machen könnte – wenn die Kamera das schaffen würde. Genau hier lag aber die Krux:
    Meine Kamera schafft nur 6 Bilder pro Sekunde – und benötigt dann eine gewisse Zeit, um diese Fotos auf den Speicherkarten abzulegen! Und ich schreibe „den Speicherkarten“, weil in meiner Kamera zwei Speicherkarten stecken.
    Die Funktion dieser 64 GByte-SD-Karten hatte ich so eingestellt, dass sie gleichzeitig die Fotodaten speicherten. Mein Gedanke war dabei: sicher ist sicher! Das sollte mir später übrigens beinahe zum Verhängnis werden – doch dazu später mehr …

Üben vor dem Spiel

Also stand ich da und musste nun gut überlegen, wann genau ich den Auslöser drücken sollte. Denn anschließend gab es sechsmal hintereinander ein vernehmliches »Klick« und dann machte die Kamera erst einmal Pause! Ich weiß nicht, ob man mir das ansah, aber innerlich war ich ziemlich angespannt. Ich suchte noch verzweifelt nach einer Möglichkeit, diese „Zwangspause“ zu verkürzen. Zum Glück fand ich noch den Menüpunkt „Bildkontrolle“. Zeigt diese Einstellung »ON« (wie ich es bis dato immer hatte), wird eine gewisse Zeit lang das soeben aufgenommene Bild angezeigt. Da mein größtes Problem die Zeit war, schaltete ich kurzerhand auf »OFF«.

Damit hatte ich zwar ab sofort keinerlei optische Kontrolle darüber, wie mein aufgenommenes Foto aussieht, aber dafür funktionierte jetzt das Übertragen der Fotodaten auf die SD-Karten ungebremst.

Die ersten 400 Fotos – schon vor dem Spiel!

Durch diese technischen Belange hatte ich schon die ersten 400 Fotos aufgenommen, bevor das Spiel überhaupt begonnen hatte.

Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch, dass »Speicherkapazität« kein Thema wäre. Das war ein Irrtum …

Der Einzug der Spieler

Nachdem sich das Spielfeld kurz geleert hatte, kamen um ca. 20 Uhr die Spieler der auswärtigen Mannschaft aus der Kabine. Dank angereister Fans wurden sie mit viel Jubel empfangen.

Dann wurde es dunkel in der Halle. Auf den Zuschauerrängen leuchteten die verteilten Knick-Lichter.

Dann begann mit viel Pathos, entsprechend lauter, epischer Musik, Nebel und zwei senkrecht am Hallenboden positionierten Flammenwerfern der Einzug der Heimmannschaft: in Begleitung von Kindern kamen sie – einzeln namentlich angekündigt – aus der Kabine und wurden frenetisch begrüßt.

Das Spiel beginnt

Nach kurzem Begrüßungs- und Konzentrations-Ritual geht das Spiel nun los.

Obwohl zu Spielbeginn die Gäste den Ballbesitz haben, dauert es keine Minute, bis das erste Tor für die Heimmannschaft fällt. Hui, da ist wirklich Dynamik im Spiel! 
Ich versuche, so gut es geht, dem Ball zu folgen. Anfänglich fotografiere ich auch die Attacken auf das Tor am anderen Ende der Halle. Ein flüchtiger Blick auf die Ergebnisse zeigt mir aber schnell: Das werden keine tollen Fotos!

Also: auf die Angriffe der Heimmannschaft konzentrieren. Und die kommen! Langsam beginne ich, die Abläufe der Angriffe zu verstehen. Jetzt muss ich nur noch das Timing für den optimalen Zeitpunkt des Auslösens anpassen: drücke ich zu früh, hält der Spieler den Ball auf dem Foto noch fest in der Hand. Drücke ich zu spät, ist kein Ball mehr im Foto zu sehen. Leider ist selten der Spieler, der auf das Tor zuläuft, auch die Person, die den Wurf auf das Tor ausführt. Viele Ball-Abgaben und -Pässe in kurzer Zeit und – Peng! – knallt der Ball ins Tor.

Halbzeit

Mit dem Pausenstand von 13:9 gehen die Mannschaften in die Kabine. Ich verändere meinen Standort schnell von einem Spielfeldende zum gegenüberliegenden.

Die Speicherkapazität wird nicht reichen

Ein kurzer Blick auf die Technik: oh! Wenn ich weiterhin so viele Fotos in Serie aufnehme, werden in wenigen Minuten die beiden Speicherkarten voll sein. Und zwar mit den gleichen Fotos! Schnell nehme ich die zweite SD-Karte aus der Kamera, formatiere die erste SD-Karte (dadurch werden automatisch alle Fotos gelöscht) und packe die zweite SD-Karte wieder in die Kamera.

»Karte nicht funktionsfähig«

Das darf doch wohl nicht sein! Die Kamera meldet, dass die soeben frisch formatierte Karte nicht funktionstüchtig sei. Also führe ich das Prozedere noch einmal durch. Kein Erfolg. Meine Nervosität steigt. Und noch einmal. Puh! Diesmal gibt die Kamera »grünes Licht«! Jetzt muss ich die Funktion der Karten umstellen: Die Kamera soll die zweite Karte zum Speichern der Fotodaten verwenden, sobald die erste Karte voll ist.

Hoffen und Bangen

Leider zeigt die Kamera auch nach der letzten Einstellung nur noch ein paar Hundert Bilder Restkapazität an. Das lässt mich dann immer wieder nachschauen, wie viele Bilder ich denn noch machen kann. Ich werde immer wählerischer, welche Szene wohl am besten aufzunehmen ist und welche vermutlich nur ins Leere laufen wird.

Ende gut – alles gut!

Tatsächlich stellte ich dann irgendwann fest, dass die Kamera auf die zweite SD-Karte umgestellt hat. So konnte ich bis zum glorreichen Sieg der Heimatmannschaft mit einem Ergebnis von 33:20 fotografieren.

Endspurt

Als ich endlich mit dem Fahrrad zu Hause war, zeigte die Uhr schon 22:00 Uhr. Ich kopierte die Foto-Rohdaten der beiden Speicherkarten auf meine externe Foto-Festplatte. Der Zähler zeigte 2019 »NEF«-Dateien. Aber ich sollte doch JPG-Dateien liefern! Das bedeutete: Die Dateien mussten alle noch entwickelt werden! Kein Problem: mit Adobe Lightroom bekomme ich das schnell in den Griff. Außerdem musste ich ja nicht alle 2019 Fotos entwickeln, sondern nur die Daten der Aufnahmen, die ich noch auszuwählen hatte.

Massenabfertigung

Na ja, auch 2019 Fotos allein durchzuschauen und auszuwählen dauerte schon eine ganze Weile. Am Ende des Auswählens waren es 248 Fotos, von denen ich mir vorstellen konnte, dass sie evtl. dem Zweck dienen könnten.

Entwicklungsarbeit

Nun nahm ich mir ein beispielhaftes Foto vor, stellte die wichtigsten Parameter ein, drehte noch an einigen Reglern und übertrug diese Einstellungen mit »Copy-and-paste« direkt auf die 248 ausgewählten Fotos.

Aber: 95 mm Brennweite!

Damit hatte ich zwar schon einmal eine gute Voraussetzung, um die Fotos feinzuschleifen. Aber die abgebildeten Szenen hatten alle etwas zu viel »Fleisch«. Ich musste mir also jedes einzelne Bild vornehmen und mit dem Beschnittwerkzeug einen passenden Bildausschnitt wählen. Dabei stellte ich fest, dass es den Abbildungen der Handball-Szenen sogar guttat! Und die Auflösung war immer noch mehr als gut genug. Zwei Dinge, die ich an einigen Aufnahmen bemängeln musste, waren:

  1. Der kontinuierliche Autofokus des Objektivs kam mit der Geschwindigkeit der Spieler nicht immer mit – die Schärfe liegt nicht immer ganz beim Spieler.
  2. Durch die hoch eingestellte Empfindlichkeit des Sensors sind die Fotos verrauscht.

Der Morgen bricht an

Irgendwann war ich dann endlich so weit, dass ich die 248 Fotos (im richtigen Maß) in einem Rutsch abspeichern konnte. Diese Fotos übertrug ich dann in einen Online-Cloud-Service. Zeitgleich informierte ich den Betreiber des Online-Magazins, dass ich soeben die Daten übertragen hätte. Anzurufen traute ich mich nicht mehr – es war mittlerweile Samstag, 1:54 Uhr!

Gute Nacht!

Unsicher, ob die Fotos denn auch geeignet wären, fiel ich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen berichtete ich meiner Familie von diesem ereignisreichen Abend. Gegen Mittag machte mein Smartphone »Pling« und ich hatte eine Nachricht empfangen. Sie stammte vom freien Mitarbeiter des Online-Magazins. Er kommentierte meine Fotos. Und ich glaube, da er selbst ehemaliger Handballer ist, darf ich auf sein Urteil ernst nehmen. Er schrieb:

Überragend. Die Fotos sind richtig klasse, du hast nicht nur Bilder, sondern richtige Momente drauf, immer den richtigen Zeitpunkt

Dieses Lob machte mich tatsächlich sehr stolz. Und zufrieden. Ich hatte wohl doch ganz gute Arbeit abgeliefert …

Hier findet Ihr die Online-Galerie ausgewählter Fotos von diesem Ereignis:


= = = N A C H T R A G // U P D A T E = = =

Auf den Seiten des Online-Magazins „Alles Detten“ sind meine Fotos eingebaut:

Externer Link zu https://www.allesdetten.de

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