Makrofoto – scharf durch focus stacking

Makrofotos – scharf durch »focus stacking«

Wie im letzten Beitrag angekündigt, schreibe ich nun den zweiten Teil eines inhaltlich zusammenhängenden Blog-Beitrags. Darin gebe ich tiefere Einblicke in den Entstehungsprozess eines meiner Makrofotos, die ich bei einem Wettbewerb eingereicht habe.

Makro als Wettbewerbsthema

Der interne Fotoclub-Jahreswettbewerb 2022 hatte das Thema »Makro«. So sahen meine Wettbewerbsbeiträge aus:


Schreibtischarbeiter


Kleines Meeresschneckenhaus


Focus Stacking

Beide Fotos entstanden nach einer Methode, die man „focus stacking“ nennt. Dabei werden viele Einzelfotos des gleichen Motivs (aber mit unterschiedlichem Schärfepunkt) erstellt und anschließend miteinander „zusammengerechnet“.

Warum das Ganze?

Wenn man ein sehr kleines Motiv außerordentlich groß ablichten möchte, muss man mit der Kamera ganz nah an das Motiv rücken. Schaut man sich das Foto dann an, stellt man fest, dass auf dem Foto nur ein ganz kleiner Bereich wirklich scharf ist:

Solche Fotos besitzen einen eigenen, besonderen Charme. Ich habe schon viele solcher Makroaufnahmen erstellt, bei denen ich ganz bewusst diese kleine Schärfentiefe eingesetzt habe.

Neue Aufgabenstellung

Bei den nun geplanten Wettbewerbsbeiträgen wollte ich jedoch z. B. das Haus der kleinen Meeresschnecke von vorn bis hinten komplett scharf abbilden.

Wo ist das Problem?

„Na und?“, werden nun manche Lesende fragen. „Das kann doch sogar mein Handy!“ Ach ja? Ist das wirklich so? Es gibt Zeitgenossen, die nicht verstehen, dass dieses Thema überhaupt existiert. Und dann zeigen sie ihre tollen Handy-Fotos. So zum Beispiel:

Als komplettes Bild und auf einem schönen, leuchtenden Handy-Bildschirm betrachtet, ist ja alles soweit akzeptabel. Aber was ist, wenn man sich einmal einen Ausschnitt in der 1:1-Vergrößerung (1 Foto-Pixel = 1 Bildschirm-Pixel) anschaut?

Bei näherer Betrachtung

Ja, es gibt Bereiche, die sind – na ja – ganz passabel:

Beim Betrachten anderer Bereiche des Motivs muss man aber feststellen, dass diese überhaupt nicht scharf sind. Und die Abbildung insgesamt in diesem Maßstab ist einfach nur »Pixel-Matsche«:

Und bei unserem internen Fotoclub-Wettbewerb kommt noch eine Bedingung hinzu: die Beiträge müssen als physische Fotoabzüge (Maß bis max. 30 cm × 45 cm) eingereicht werden. Spätestens bei dieser Größe trennt sich dann die Spreu vom Weizen …

Um Missverständnissen vorzubeugen: Fotos mit einem Mobiltelefon zu machen, finde ich völlig in Ordnung! Ich nutze selbst intensiv diese schnelle, unkomplizierte Methode. Aber es gibt nach wie vor Bereiche in der Fotografie, in denen »richtige« Kameras immer noch ihre Berechtigung haben.

meine Meinung

Also zurück zur Erstellung meiner fotografischen Beiträge:

Politik der kleinen Schritte

„Das Motiv wird fixiert, die Kamera auf eine Schiene montiert, die Richtung Motiv zeigt. Dann wird das Kameraobjektiv so eingestellt, dass nur der vordere Teil des Motivs scharf abgebildet ist. Der Auslöser wird betätigt. Anschließend wird die Kamera ein Stückchen auf der Schiene in Richtung Motiv bewegt und der Kameraauslöser erneut betätigt. Das Ganze wird nun sehr oft (mehr als hundertmal!) durchgeführt.“ Soweit die Vorgehensweise in der Theorie.

Und meine ersten »ge-stackten« Fotos mit einer geliehenen, manuell zu betätigenden Schiene wurden auch tatsächlich genau so erstellt. Damals verwendete ich lediglich einen Kabel-Fernauslöser an der Kamera als zusätzlichen Komfort.

Hier mein erstes Motiv: ein Pilz, den ich mit 106 Aufnahmen fotografiert und später »zusammengerechnet« habe:

Für die Fotoaufnahmen allein habe ich Stunden benötigt! Und danach war ja nur das »Rohmaterial« fertig!

Zurück zum Motiv für den Wettbewerb:

Das kleine Meeresschneckenhaus

Hier das gewünschte Motiv im Vergleich mit einer 1 €-Münze:

Schon sehr klein, nicht wahr?

Tatsächlich verschob ich für den Wettbewerbsbeitrag aber weder die Kamera per Hand, noch löste ich manuell die vielen Aufnahmen aus. Der Abstand sollte möglichst gleichmäßig sein und betrug nur wenige Mikrometer (!) pro »Vorwärts-Schritt«. Und beim Niederdrücken mit der Hand wären unerwünschte Vibrationen entstanden. Die Lösung war – wie schon so oft in der Geschichte der Menschheit – die Technik!

Makroschiene mit Motor und Steuerelektronik

Als der klubinterne Fotowettbewerb startete, hatte ich schon Erfahrungen im Umgang mit einer motorgetriebenen Makroschiene. Ich hatte sie mir Anfang des Jahres 2022 gekauft. Diese hat eine Steuerelektronik, die man auch zum synchronisierten Auslösen der Kamera verwenden kann. Ich modifizierte dieses preiswerte Gerät noch ein wenig. Eingebaut in ein selbstgebautes Gestell für die »Tabletop-Fotografie« (nächstes Thema?) sieht die Apparatur aktuell so aus:

In diesem Kästchen befindet sich die Steuerelektronik:

Die »Bedienungsanleitung« besteht aus einer einzigen Seite im DIN A4-Format (immerhin laminiert!). Da auch das Display nur recht kryptische Anzeigen besitzt, habe ich mir eine eigene Bedienungsanleitung erstellt (vielleicht auch einen eigenen Blog-Beitrag wert?). Mit dieser Einrichtung lichtete ich beide Motive ab.

Ergebnis: hunderte Bilder!

Im Oktober 2022 fertigte ich die Aufnahmen des Meeresschneckenhauses an.

Hier die technischen Daten:

Hardware
KameraNIKON D610, Vollformat
ObjektivTAMRON SP 90mm F2.8 Di Macro VC USD
Aufnahmeparameter
Brennweite90 mm
Belichtungszeit1/10 Sek.
Blendef/11
EmpfindlichkeitISO 100

Nachdem ich die Steuerelektronik eingestellt und den automatischen Aufnahmevorgang gestartet hatte, verließ ich den Raum und ließ die Automatik klicken.

Nach einer Stunde holte ich das Speichermedium aus der Kamera und überspielte 458 (RAW-)Dateien auf meine externe Festplatte. Jede Aufnahmedatei hat eine Größe von ca. 25 MByte und eine Auflösung von 24 MP. Diese RAW-Daten entwickelte ich dann mit der Software Adobe Lightroom Classic. Hier ein Screenshot in der Übersicht:

Hier in der 1:1- oder 100%-Ansicht:

Ich finde es interessant, dass man gut erkennen kann, wie klein der Anteil des wirklich scharfen Bildbereiches auf einem Einzelfoto ist! Gut, dass ich 458 Stück hatte … 😁

Achtung Tipp!

An dieser Stelle kann ich ein paar Tipps aus praktischer Erfahrung weitergeben: die RAW-Entwicklung sollte man nicht (wie sonst gewohnt) mit einem optimalen Endergebnis im Hinterkopf justieren. Da das Ergebnis dieses Entwicklungsprozesses nur die Erstellung eines »Zwischenproduktes« ist (nämlich die Einzelfotos als TIFF-Datei), darf an dieser Stelle weder geschärft werden noch der Kontrast zu stark sein! Ich benötigte auch viele Versuche, um die für meinen Workflow passenden Einstellungen im RAW-Entwickler zu finden. So stelle ich die RAW-Dateien im Kontrast zum Beispiel auf − 50 % und halte bei »Schwarz« und »Weiß« in den Bilddaten noch genug Abstand zu den Maximalwerten!

Nach dem Entwickeln exportierte ich die Aufnahmen. Nun lagen 458 TIFF-Dateien (jeweils ca. 145 MByte groß!) auf dem externen Laufwerk bereit. Jetzt musste daraus nur noch ein einziges, scharfes Foto werden!

Spezial-Software

Um diese gewaltige Menge an Daten (> 66 GByte!) so zu berechnen, dass ein einziges, scharfes Bild als Ergebnis herauskommt, bedarf es spezieller Software.

Die Spezialisten

Es gibt zwei Marktführer in diesem Bereich, den man »focus stacking« nennt:
»Zerene Stacker« und »Helicon Focus«. Nach intensiven Recherchen im Internet und unzähligen YouTube-Videos entschied ich mich für »Helicon Focus«. Das soll aber weder eine Empfehlung noch eine Wertung sein: Es kommt vielmehr auf den individuellen Einsatzzweck an.

Helicon Focus

In diese Software lud ich die 458 TIFF-Dateien und experimentierte mit vielen Parametern. Dabei spielt diese Software ihre Stärken als Spezialistin voll aus. Denn: natürlich kann man auch mit Adobe Photoshop ein focus stacking bewerkstelligen. Aber die Verarbeitungszeit bei solch großen Datenmengen lassen jeden Geduldsfaden reißen – meinen jedenfalls ganz sicher …
Eine Spezialsoftware wie Helicon Focus bietet neben der unglaublich hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit zudem so viele Optionen, dass es sich wirklich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen, wenn man beabsichtigt, diese Art von Makroaufnahmen zu erstellen.

Am Ende erhielt ich dann ein 105 MByte großes, scharfes Einzelbild:

Zurück zu Adobe Lightroom Classic

Jetzt konnte ich dieses Einzelbild im Fotoentwicklungsprogramm einladen und sowohl noch etwas nachschärfen als auch in den Ton- und Helligkeitswerten optimieren.

Das Ergebnis sah zwar schon toll aus, aber ich wollte sowohl den Hintergrund noch austauschen als auch noch einen Blickfang ins Bild setzen. Daher kam nun das oben schon erwähnte Programm Adobe Photoshop zur Anwendung. Ich stellte das Meeresschneckenhaus frei, …

fotografierte ein unscharfes Foto von einem Strukturkarton, den ich mit diversen Lichtern in Szene gesetzt hatte, …

passte Tonung und Tonwerte dieses Hintergrundbildes an, …

fotografierte eine kleine, blaue Metallkugel, stellte sie frei und versah sie mit einem künstlichen Schatten, …

und hatte nun in Photoshop das Endergebnis in mehreren Ebenen auf dem Bildschirm:

Ich speicherte die Bilddatei in höchster Qualität ab und ließ beim Dienstleister »Saal Digital« für den Fotowettbewerb eine Belichtung von diesen Daten im physischen Format von 30 cm × 45 cm anfertigen.

Mir gefiel das Motiv sogar so gut, dass ich mir für mein Büro noch einen »Fine Art«-Abzug im Maß 60 cm × 80 cm auf dem Material »Hahnemühle FineArt PhotoRag® in der Grammatur 308 g/m²« anfertigen ließ. Auf diesem Material und in dieser Größe sind die Details und das Motiv noch beeindruckender!

Hier noch einmal das Endergebnis:

So, ich hoffe, dieser Einblick in meine kleine Fotowelt war interessant. Wer meine wenigen, unregelmäßig erscheinenden Beiträge nicht verpassen möchte, trägt einfach seine E-Mail-Adresse ein und klickt auf die Fläche »Abonnieren«:

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