Christian Drab im Interview zum Thema belloHOHL

belloHOHL – Was soll das heißen?

Seit Februar 2019 veröffentliche ich in loser Folge auf Instagram Illustrationen von Tieren, die zwei Dinge gemeinsam haben.

Die knallbunt gefleckten Tiere besitzen:

  1. kein Gesicht und machen
  2. einen »hohlen« Eindruck:
Die erste Illustration des Projektes „belloHOHL“ …
Die erste Illustration des Projektes „belloHOHL“ …

Damals erklärte ich nicht, was es damit auf sich hat. Das holte ich in einem Video-Interview während der CORONA-Pandemie im September 2020 nach. In meinem YouTube-Kanal kann man sich den kompletten Beitrag ansehen:


Oder man liest einfach die Transkription des Textes:


belloHOHL – Was soll das heißen?

Ja! »Was soll das heißen?« Das hat meine Mutter auch immer gefragt, wenn sie mit Kunst konfrontiert wurde!

Tatsächlich kam die Initialzündung zu diesem Projekt durch spielerisches Zeichnen zustande. In diesem Fall hatte ich mich ans Bett meiner Tochter gesetzt – ein leeres Skizzenbuch lag aufgeklappt zwischen uns. So hatten wir jeweils ein Blatt vor uns, auf dem wir mit Blei- und Buntstiften einfach drauflos kritzelten.

Ich mag dieses ungezielte »Doodlen« – dabei entstehen oft interessante Ergebnisse!

An diesem Abend entstand auf meiner Seite des Skizzenbuches die Kontur eines vierbeinigen, hundeähnlichen Wesens. Aber dort, wo sich normalerweise das Gesicht befindet, zeichnete ich ein Oval ein. Meine Tochter regte noch an, mit Buntstiften zu malen. Also begann ich, unregelmäßige, fleckenartige Konturen über diesen Körper zu verteilen und mit klaren, leuchtenden Farben zu füllen.

Das gemeinsame Skizzenbuch von meiner Tochter und mir

Dann schaute ich mir mein »Werk« an: das fehlende Gesicht war irritierend – machte die Zeichnung gleichzeitig aber auch sehr interessant. Ich fuhr dieses Oval mehrmals mit dem Bleistift entlang. Dabei entstanden – etwas versetzt der ursprünglichen Kontur – weitere Linien. Das brachte mich auf die Idee, dieses Oval als Öffnung zu zeichnen. Also mit einer sichtbaren Schnittkante, die dem Körper eine Art »Materialstärke« verlieh. Das hatte was!

Auf die Frage meiner Tochter, was ich denn da gemalt hätte, antwortete ich: »Ein Hohltier!« »Soll das ein Hund sein?«, fragte sie weiter. »Jaaa«, antwortete ich. Und um sie ein wenig mit ihrer Marotte zu provozieren, ihre Kuscheltiere immer so zu nennen, wie diese als Gattung heißen (allerdings mit einem »i« versehen) ergänzte ich noch: »Hundihohl«.

PFERDi – meine Tochter hatte bei der Benennung ihre Kuscheltiere eine klare Regel!

Dann alberten wir noch mit ein paar ähnlichen Wörtern herum, bis ich den ultimativen Namen meines Werkes verkündete: »belloHOHL«!

Der Name des Projektes entstand beim Herumblödeln mit meiner Tochter

Ein paar Tage später legte ich diese Skizze auf den Scanner und erstellte eine Vektorgrafik am Computer.

Mittlerweile begriff ich, dass mich beim Zeichnen der Skizze die Gedanken beschäftigten, die mir seit dem Lesen des Buches »Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen« von Yuval Noah Harari durch den Kopf gingen.

Unbedingt lesen!

Yuval Noah Harari – HOMO DEUS, Eine Geschichte von Morgen

Dieses Buch, das ich zu den besten Sachbüchern zähle, die ich je gelesen habe, beschreibt mögliche Entwicklungen der Menschheit. Eine sehr plausibel dargelegte Facette beschreibt die Selbstoptimierung zukünftiger Generationen. Die Details sind an dieser Stelle nicht von Belang, aber ein Aspekt der daraus resultierenden Konsequenzen machte mich sehr nachdenklich:

Da höchstwahrscheinlich nicht alle Menschen dieser Erde die Chancen auf diese Entwicklung haben werden, wird die Menschheit aus­ei­n­an­der­drif­ten:

Auf der einen Seite werden die Menschen stehen, die sich im Verlauf der natürlichen Evolution aus uns heutigen Menschen entwickeln werden.

Auf der anderen Seite wird der Teil der Menschheit stehen, der die Chance zur Optimierung hat – und sie sicherlich auch nutzen wird!

Der Autor – Dozent für Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem – wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf:

Wie werden die neuen »Supermenschen« auf die »normalen« Menschen schauen?

Seine Vermutung lautet:

So wie wir aktuell auf Tiere schauen!

Eine Vermutung, die ich zunächst vehement ablehnte! Zu verstörend war der Gedanke, dass diese Generation (selbst)optimierter Menschen unsere eigenen, sich mehr oder minder auf natürliche Art und Weise entwickelnden Menschen als Tiere ansehen würden. Leider unterlegt Harari aber seine Ansicht sehr nachvollziehbar.

Und ein Blick auf unser aktuelles Verhältnis zu Tieren – egal ob sogenannte Wild-, Haus- oder Nutztiere – sollte jedem klar machen, welche Konsequenzen das haben wird …

Den Zeitrahmen, in dem diese Entwicklung erfolgen wird, schätzt Harari auch recht schmal ein – vielleicht werden wir das tatsächlich noch erleben!

Zurück zu belloHOHL

Wie bauen wir eine Beziehung zu einem Wesen auf? Als erstes wohl über den Augenkontakt. Die Mimik, den Ausdruck, den das Wesen – gewollt und beabsichtigt oder nicht – uns gegenüber zeigt.

Das Gesicht ist der entscheidende Faktor bei der Entstehung unserer Empathie mit einem Wesen


Was wäre, wenn wir kein Gesicht sehen würden?

DAS war es, was mich beschäftigte, als ich die Skizze des ersten HOHL-Tieres machte! Und nachdem die erste Illustration fertig war, merkte ich: tatsächlich vergrößert sich der emotionale Abstand ohne ein Gesicht enorm! Dieses »Ding« wird abstrakt. Wird nicht mehr als Lebewesen angesehen. Und dadurch, dass ich nicht nur das Gesicht wegließ, sondern auch noch einen hohlen Körper andeutete, verstärkte sich diese Distanziertheit noch mehr.

Diese Skizze war die Initialzündung zum Projekt »belloHOLHL!«. Denn ich entwickelte noch viele weitere Tierillustrationen im gleichen Stil. Einige veröffentlichte ich in den sogenannten sozialen Medien. Auf Instagram. Ohne den tieferen Sinn hinter diesen Skizzen zu offenbaren – bis jetzt.

Mittlerweile betrachte ich »HOHL!« als offenes Projekt: sobald mir wieder danach ist, skizziere ich ein weiteres Tier. Wie und wo ich diese Werke noch veröffentlichen werde – das möchte ich noch offen halten …

An dieser Stelle würde in einem »Social Media«-Text wohl ein Emoji – ein Smiley – stehen. Und was ist ein Smiley ohne Gesicht? 🙄

Genau! Nur eine gelbe Kreisfläche! 😶

Hier noch einige Illustrationen dieses Kunstprojektes:


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